Als kritische Sozialarbeitende unterstützen wir den Widerstand gegen Sozialdetektive und das Referendum gegen die „Gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten“. Das Gesetz betrifft sowohl staatliche als auch private Versicherungen wie AHV, ALV, EL, IV, Krankenkassen, Unfallversicherungen etc. Es betrifft also potenziell alle von uns, in der Regel aber viele Personengruppen, die schon heute diskriminiert sind.
Neu können Leistungen an Versicherte in der Schweiz durch Überwachung überprüft werden. Videoüberwachung in Privatwohnungen beispielsweise wird in einem Mass möglich, wie dies nicht einmal bei der Terrorismusbekämpfung legal ist. Es geht also um einen krassen Ausbau der Kontrolle all jener, die auf Unterstützung durch den Sozialstaat angewiesen sind.
In der reichen Schweiz konzentriert sich der Reichtum bei vergleichsweise wenigen Personen. Wiederkehrende wirtschaftliche Krisen sowie strukturelle Veränderungen in der Arbeitswelt führen währenddessen zu zunehmend prekären Lebenssituationen und/oder gesellschaftlichem Abstieg bis hin zu materieller Armut von vergleichsweise viel mehr Personen. Auch physische und psychische Erkrankungen und Beeinträchtigungen begünstigen in unserer lohnarbeits- und leistungszentrierten Gesellschaft Armut.
Zur nun geschaffenen „Gesetzlichen Grundlage zur Überwachung von Versicherten“ haben aus unserer Sicht zwei zentrale Diskurse beigetragen: 1. Die durch die SVP angestossene „Missbrauchsdebatte“, die das Bild von Menschen zeichnet, die scheinbar unberechtigt Leistungen der Sozialhilfe und Sozialversicherungen in Anspruch nehmen (der Missbrauchsbegriff tauchte bald darauf leider auch im Berufskodex der Sozialen Arbeit auf). 2. Der Diskurs um die Formel „fördern und fordern“, der von sozialdemokratischer Seite und durch die Soziale Arbeit vorangetrieben wurde. Dahinter steckt das Bild, dass Leute, welche sozialstaatliche Leistungen erhalten, sich nicht um Arbeit oder Selbstständigkeit bemühen. Wir stellen schon seit Längerem fest, dass repressive Formen und Praxen Sozialer Arbeit durch diese beiden Diskurse Aufschwung erfahren. Gleichzeitig werden bei Sozialversicherungen und Sozialhilfe Revisionen durchgeführt, die mit Leistungskürzungen einhergehen.
Zwischen den skizzierten Diskursen einerseits, und der Installation von Sozialdetektiven zur Überwachung von Armutsbetroffenen im Kontext der Sozialhilfe sowie der gesetzlichen Grundlage zur Überwachung von Versicherten andererseits, erkennen wir folgenden Zusammenhang: Die Gesetzesgrundlage dient als Instrumentarium, welches Angst schürt, Druck ausübt und den neoliberalen Abbau der sozialen Sicherheit vorantreibt. Überwachung mittels Drohnen, GPS Trackern und Privatdetektiven ist repressiv und zielt darauf ab, dass Versicherte auf ihnen zustehende Leistungen verzichten, um Stigmatisierung und Eingriffen in die Privatsphären zu entgehen.
Hinzu kommt, dass Sozialdetektive einer Markt- und Profitlogik unterstehen und daher Fahndungserfolge vorweisen müssen, um ihr Dasein zu rechtfertigen.
Der Ausbau repressiver Überwachung von sozial Benachteiligten, Armutsbetroffenen, Behinderten oder psychisch erkrankten Menschen ist ein Thema das die Soziale Arbeit sehr direkt betrifft. Aus diesem Grund wäre es höchst angebracht – und eigentlich zu erwarten – dass auch die Hochschule für Soziale Arbeit sich zur anstehenden Abstimmung und zu aktuellen Entwicklungen kritisch äussert. Während eine kritische Haltung von Sozialarbeitenden in der Theorie gefordert wird bezieht die ZHAW Soziale Arbeit in keiner Weise Stellung zu hochbrisanten Entwicklungen die alle ihre Studierenden konkret betreffen wird.
Studierst du an der ZHAW und würdest dich gerne politisch engagieren? Interessierst du dich für sozialpolitische Themen und möchtest dich gerne kritisch damit auseinandersetzen? Melde dich bei uns!
Kriso Hochschulgruppe ZHAW
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