Gedanken nach einem Artikel von Johannes Schleicher

Einwurf II

Warum uns Wurzeln interessieren

 

Antwort der Kriso Bern – Forum für kritische Soziale Arbeit auf Herrn Schleichers Einwurf zu Mechthild Seithes Vortrag in Bern im November 2015

Wie wunderbar ist es, denkende, nachdenkende, fragende Studierende zu haben. Sie fragen nicht nur nach dem Wie, sondern nach dem Warum.

Wir möchten auf die von Herrn Schleicher als „unsere Studierenden“ bezeichneten aufmerksam machen. Die Organisatorinnen und Organisatoren dieses Anlasses waren nicht „unsere Studierenden“, es war das Forum für kritische Soziale Arbeit Bern (Kriso) gemeinsam mit der Studierendenorganisation der Fachhochschule. Die Kriso Bern besteht sowohl aus Studierenden, wie auch im Berufsleben stehenden Fachpersonen.

 

Nennt uns jung, wild, utopisch. Macht das. Und bitte macht das mit einem müden Lächeln auf den Lippen. Aber bitte. Seit wann werden Eiferer und Empörer gleichgesetzt?

So plakativ und undifferenziert behandelt? Gibt es in der Welt, die Herr Schleicher beschreibt, keinen Zusammenhang zwischen dem Leid und der Not in der Welt und der Notwendigkeit, genau deswegen politisch zu handeln?

Der Fachbereichsleiter der Berner Fachhochschule für Soziale Arbeit, Herr Schleicher, beschreibt in seiner Stellungnahme Ohnmachtsgefühle. Daraufhin das Gefühl der Resignation und diese wiederrum mündend in eine lebenslange Lektion der Demut. Profi wird man erst, wenn man die Empörung als Lieblingsgeste abgelegt hat. Was ist das? Das müde Lächeln eines Erwachsenen gegenüber einem jungen Menschen, der seine Unzufriedenheit mit den gegebenen Verhältnissen ausdrückt? Dazu ein Dormicum mit beruhigenden Worten und der Hand auf der Schulter, die Verständnis ausdrücken will. „Ohnmächtig waren wir auch mal, fühlten die Last der Leiden auf unseren Schultern, resignierten.“ Doch Demut? Vor was? Vor der aufrichtigen Empörung junger Menschen? Wer die Demut nutzt, um sich über andere zu erheben, der demütigt.

 

Natürlich, absolut einverstanden. Wir müssen durch Symptomtherapie menschliches Leiden lindern, welches hier und jetzt stattfindet. Natürlich, wer würde dieser Argumentation schon widersprechen. Aber hier sollten wir –so wie wir Kritik verstehen- nicht stehenbleiben. Oder uns gar daran gewöhnen? Langsam und schmerzlos daran gewöhnen? Gefährlich, sehr gefährlich.

Was ist das für eine Arbeit, überhaupt für eine Haltung, wenn wir uns damit abfinden, dass wir nie, wirklich niemals ein Problem an seiner Wurzel packen können? Was machen wir dann? Verzweifelt giessen, düngen und Sonnenlampen aufstellen? Die Pflanze in ein Chlorophyllprogramm schicken damit sie wieder weiss, wie grün aussieht und sie mit anderen Pflanzen um die Wette leuchten kann? Und die Wurzel weiterhin verrotten, vor sich hindarben lassen? Wenigstens die Schaufel in die Hand zu nehmen, das wäre Interesse, die Frage nach dem Warum, vielleicht auch schon Anfänge von Kritik. Anfangen zu graben, das wäre lesen, diskutieren und Alternativen überlegen. Was machen wir, wenn wir bis zur Wurzel kommen? Wo gibt es bessere Erde? Wo einen anderen Garten? Können wir der Wühlmaus erklären, sie soll nicht daran nagen? Sie umerziehen? Nichts gegen Wühlmause, super Tiere.

Beim hinschauen fängt es an. Jedoch geht es beim Nachdenken, beim Hinterfragen und in Diskussionen weiter. Sich auszutauschen, agieren, eine für sich geeignete Form des Widerstands finden.

Das alles macht die Welt nicht einfacher. Wir wollen uns jedoch nicht hinter einer Professionalisierung verstecken, welche die Anerkennung der Sozialen Arbeit überbetont und diese als Hauptfokus hat. Bei der sich die Professionellen zu einer Elite entwickelt, welche sich immer mehr von den Adressatinnen und Adressaten entfernt.

Und auch wir möchten etwas für die Hochschule: wir möchten eine Hochschule in der wir nicht nur auf die Welt wie sie ist, vorbereitet werden, sondern auch wie sie sein könnte. Wir möchten eine Hochschule an der eine kritische und politische Soziale Arbeit weitergegeben und praktiziert wird.

 

Wir kritisieren die neoliberalen Entwicklungen, die herrschenden Machtverhältnisse und die Ungleichverteilung der Ressourcen. Wir wollen nicht, dass die Soziale Arbeit diese Verhältnisse verschleiert und diese legitimiert, indem sie lediglich die negativen Folgen für die Betroffenen lindert. Im Gegenteil! Sie muss und soll auf die Verhältnisse aufmerksam machen, damit diese verändert und die Ursachen der Not und der Ungleichheit angegangen werden können.

 

Von der Defensive in die Offensive!

 

Kriso Bern– Forum für kritische Soziale Arbeit Bern

 

2,5 Jahre Existenz

30 Aktivmitglieder

400 Unterstützende

Überregional vernetzt mit Kriso Zürich, St. Gallen, Basel

Mehrere Kontaktpersonen in Deutschland und Österreich

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