Zuhause bleiben, Abstand halten, Hände waschen. Wir alle müssen im Moment mit drastischen Einschränkungen klarkommen. Diese Einschränkungen haben aber ganz unterschiedliche Auswirkungen für uns. Besonders hart treffen sie diejenigen Personen, die gezwungen sind in Notunterkünften zu leben. Platzverhältnisse sind so knapp, dass Abstand halten in der Unterkunft nicht möglich ist, zu einer problematischen Wohnsituation kommt also zusätzlich ein gesundheitliches Risiko hinzu, wie die ersten COVID-19 infizierten Geflüchteten in den Unterkünften bestätigen.
Diverse Organisationen versuchen deshalb, auch jetzt Unterstützungsarbeit für Bewohner*innen von Notunterkünften zu leisten. Das in einer Zeit, in der Solidarität ein so allgegenwärtiges Thema ist wie selten. Doch ausgerechnet in Notunterkünften ist Solidarität offenbar nicht gern gesehen: So kritisiert die Betreiberin der Zürcher Notunterkünfte, die ORS Service AG, dass Solidaritätsarbeit den Betrieb von Notunterkünften störe (Medienmit-teilung ORS, 01.04.2020). Eine absurde Argumentation die sehr klar macht, dass das Wohlbefinden von Bewohner*innen für die ORS (allenfalls) Nebensache ist.
Dass die ORS Unterstützungsarbeit für Geflüchtete aus Unterkünften ausschliesst ist problematisch. Dass der Kanton aber diese wichtige Aufgabe überhaupt an eine private Firma delegiert, die damit Profit macht ist noch viel schlimmer. Die ORS profitiert direkt vom Elend der Menschen: Je billiger sie eine Notunterkunft betreibt desto mehr bleibt für sie und somit Dividenden an ihre Aktionär*innen.
Aus der Perspektive der Sozialen Arbeit gilt es das derzeitige Vorgehen oder treffender formuliert das Nichtstun der ORS als gewinnorientierte Betreiberin der Notunterkünfte (NUK) und den Kantonen stark zu kritisieren. Denn ganz offensichtlich erachten der Kanton und die ORS die betroffenen Menschen in den Notunterkünften nicht als schützenswert genug. Anders lässt sich das Nicht-Gewährleisten von genügend Abstand, zu wenig Schutzmaterial oder gar das Kritisieren von engagierten Freiwilligenorganisationen, die Desinfektionsmittel verteilen, nicht erklären.
Somit werden gewisse Menschengruppen wissentlich und willentlich nicht geschützt und den derzeitigen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt! Dadurch können geflüchtete Menschen, die sich ohnehin bereits in prekären Wohn- und Lebensbedingungen befinden, ihre Rechte nicht geltend machen. Ein Alltag geprägt von Unsicherheiten, wenig bis keiner Privatsphäre, Ängsten und sozialer Isolation ist nicht nur in Zeiten von Corona belastend. Doch in dieser ausserordentlichen Zeit werden die Ungerechtigkeiten und menschenrechtswidrigen Verhältnisse noch deutlicher und sichtbarer als sonst.
Wir kritisieren zum einen die Privatisierung und Auslagerung der eigentlich sozialstaatlichen Betreuungsaufgaben von Geflüchteten. Denn es verwundert nicht, dass die profitorientierte Bewirtschaftung von Asylunterkünften durch die ORS sich auch jetzt nicht an den Bedürfnissen der betroffenen Personen orientiert. Die Handlungsmöglichkeiten der Menschen sind massiv eingeschränkt und die Bewohner*innen sind dem nicht sozialarbeiterisch ausgebildeten Betreuungspersonal ausgeliefert.
So überrascht es nicht, dass potentielle Schutzmassnahmen gar als neue Repressionsinstrumente missbraucht werden, in dem Menschen eingesperrt werden oder ihnen den Kontakt zu anderen Menschen oder gar zu Beratungs- und Fachstellen verweigert wird. Das in dieser ausserordentlichen Situation soziale Spannungen in den Unterkünften zunehmen, ist daher nicht verwunderlich und wird offenbar gerne in Kauf genommen.
Verschiedene Ärzt*innen wie auch Jurist*innen haben bereits auf die nichthaltbaren Zustände aufmerksam gemacht und den Kanton zum Handeln aufgefordert.
Mario Fehr beschwichtigt wie so oft die Zustände in den Notunterkünften und behauptet, die Sicherheitsmassnahmen werden eingehalten. Er selber posiert unter Einhaltung des Sicherheitsabstandes vor der NUK, wie das drinnen möglich sein sollte, dazu nimmt er keine Stellung (WOZ, 09.04.2020).
Die Kriso kritisiert die Vergabe von sozialstaatlichen Aufgaben an private, profitorientierte Unternehmen. Das Wohl dieser verletzlichen Personen muss im Zentrum stehen, nicht eine möglichst wirtschaftliche Umsetzung eines Leistungsauftrages. Notunterkünfte zu betreiben in Zeiten von Corona ist eine fahrlässige Gefährdung von Bewohner*innen und Personal. Wir fordern menschenwürdige Wohnverhältnisse für alle Personen und die sofortige Schliessung der Notunterkünfte!