Wir freuen uns heute hier zu stehen und im Namen der Kriso Basel diesen Preis entgegenzunehmen.
Wir als „Kriso –Forum für kritische Soziale Arbeit“ Basel sehen uns in der Traditionslinie deutscher AKS Gruppen. Diese Arbeitskreise kritischer Sozialer Arbeit haben sich in den 60er und 70er in Deutschland aufgrund kritisch-materialistischer Theoriedebatten etabliert. In den 90ern, im Zuge der sich abzeichnenden gesellschafts- und sozialpolitischen Veränderungen, in Form zunehmender Privatisierung im sozialen Bereich, Steuersenkungen, Sparmassnahmen und der Verbreitung der neoliberalen Logik, nach der der Markt alles regelt, kam es zur Wiederbelebung kritischer Gruppen. Diese Themen sind auch heute hochaktuell.
Der sozialpolitische Paradigmenwechsel hatte Folgen für die Soziale Arbeit. Das kritisch-emanzipatorische Bewusstsein nahm stetig ab. Statt dass Soziale Arbeit die zunehmende Ungleichheit in den Fokus gerückt hätte, wurde die wettbewerbskonforme Logik von weiten Teilen der Sozialarbeitenden mitgetragen. Damals haben sich auch kritische Gruppen in der Schweiz formiert. Sozialarbeitende, die die Soziale Arbeit als Ausdruck gesellschaftlicher Verhältnisse ansehen, haben sich als Gruppen organisiert, sogenannte Krisos, um die Theorie kritischer Sozialer Arbeit als fundamentalen Teil der inhaltlichen Orientierung zurückzuerobern und die Praxis Sozialer Arbeit in einem kritischen Sinne mitzugestalten.
Mit der Kriso wollen wir uns den Widersprüchen, den Arbeitsrealitäten unter aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen stellen. Wir möchten die Gewaltverhältnisse skandalisieren, die aus ungerechten Verteilungskämpfen resultieren und damit Ausschluss produzieren und Menschen in ihren Teilhabemöglichkeiten einschränken.
Mit der Aktion auf dem Claraplatz im Februar letzten Jahres wollten wir der Situation offensiv entgegentreten, dass sozialarbeiterische Methoden zur Rechtfertigung von Verdrängung missbraucht werden. Soziale Arbeit verkommt so zum Handlanger neoliberaler Politik, anstatt gesellschaftliche Ausschliessungsverhältnisse zu bekämpfen. Im Kern sprechen wir der Diskussion über einen geschützten Ort, um Alkohol zu konsumieren, nicht die Berechtigung ab. Jedoch nicht auf die einseitige Art und Weise, wie diese Massnahme von der Politik beschlossen wurde und dann abschätzig als „Alkistübli“ betitelt wurde. Ein Prozess, der Betroffene und Fachpersonen ausschloss, entspricht in der Logik einer herrschaftlich organisierten, paternalistischen Gesellschaftsvorstellung, in der sich Soziale Arbeit allzu oft einreiht. Hier werden soziale Ungleichheitsverhältnisse unkritisch reproduziert.
Das ist es, was wir kritisieren und öffentlich dagegen protestierten. Dies konnten wir jedoch nicht alleine. Der Erfolg der Aktion war wesentlich der Verbündung mit den Menschen auf dem Claraplatz, der Unterstützung des Vereins für Gassenarbeit – Schwarzer Peter, der Mobilisierung von der Organisation Planet 13 und des Vereins BASTA zu verdanken. Wir möchten Ihnen diesen Preis widmen und uns bei Ihnen bedanken. Aus diesem Grund haben wir uns auch entschieden, einen Teil des Preisgeldes weiterzuleiten. Und zwar an die beiden Organisationen Planet 13 und Schwarzer Peter sowie die Initiative „Recht auf Wohnen“, bei welcher sich die genannten Organisationen gegen Verdrängung engagieren.
Wenn wir nun heute Abend vor Ihnen stehen, beinhaltet dies auch einen gewissen Widerspruch. Offensichtlich reihen wir uns mit der Teilnahme an der Preisverleihung ein in Konkurrenz und einen Wettbewerb mit anderen sozialen Institutionen. Die Frage muss gestellt werden, kann soziale Engagement überhaupt bewertet, verglichen oder in eine Abfolge gereiht werden? Als Organisation haben wir einen hohen Anspruch an uns und unser Selbstverständnis. Es geht nicht um alle gegen alle, sondern darum, dass wir uns gemeinsam für mehr soziale Gerechtigkeit, im Sinne von gerechteren Chancen und einer gerechteren Verteilung, einsetzen. Mit der Aktion auf dem Claraplatz wollten wir explizit nicht die Kriso, sondern die Nutzung des öffentlichen Raums, den Umgang mit den Menschen vor Ort und die Thematik der Verdrängung in den Vordergrund stellen. Eine Anerkennung ist schmeichelhaft und wir fühlen uns bestärkt, Soziale Arbeit politisch zu positionieren. Gleichzeitig hat die Preisverleihung auch eine interne Diskussion ausgelöst. Denn ein Wettbewerb produziert auch Verliererinnen und Verlierer. Die Prämierung hat uns dazu veranlasst, uns nochmals stark damit auseinanderzusetzen, wo wir als Organisation stehen, was für uns wichtig ist, wo wir historisch und theoretisch verortet sind, wo wir politisch hinwollen und was das Etikett „kritisch“ überhaupt bedeutet. Damit Kritik nicht beliebig wird, müssen wir uns ständig mit unserem Selbstverständnis neu auseinandersetzen.
Als Kriso wollen wir Bestehendes, herrschende Verhältnisse aber auch uns selber, weiterhin hinterfragen und ein Gefäss sein, in welchem sich Personen zusammenschliessen können, um politisch aktiv zu werden.
Wir bedanken uns bei den Organisatorinnen und Organisatoren und der Jury des Prix Social dafür, dass politisches Engagement als Teil der Sozialen Arbeit anerkannt wird. Wir möchten die Gelegenheit auch nutzen, um allen zu danken, die die Kriso in irgendeiner Form unterstützen. Und wir möchten auch allen herzlich danken, die sich für eine sozial gerechtere Gesellschaft einsetzten, allen die sich in irgendeiner Form oder in irgendeinem Rahmen dafür engagieren, dass Soziale Arbeit kritisch und politisch gedacht und gelebt wird. Denn so macht das Freude und gibt Hoffnung, Mut und Energie für Veränderungen. Vielen Dank.