Positionspapier der KRISO

Positionspapier der Kriso im Januar 2011.

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Positionspapier

Forum für kritische Soziale Arbeit Zürich/Schweiz

Das vorliegende Papier wurde von einem engeren Kreis von Kriso-Mitgliedern im Dezember 2010 erarbeitet. Es dient als Plattform zur Debatte für eine kritische Theorie und Praxis sozialer Arbeit und soll helfen, unser Profil als kritische Organisation gegen aussen zu schärfen. Wir kommunizieren damit, wozu und weshalb Kriso existiert, und was unsere Ziele und Motive sind. Dieses Papier soll zu Klarheit führen, weshalb ein Forum für kritische soziale Arbeit aktuell notwendiger ist denn je.

Soziale Arbeit im ökonomischen und gesellschaftlichen Bezugsrahmen

Die Kriso, das Forum für kritische soziale Arbeit Schweiz/Zürich wurde im Frühjahr 2010 gegründet. Das ist kein Zufall. Gegenwärtig sind wir mit einer der schwersten Wirtschaftskrisen der Geschichte konfrontiert. Infolge dessen erhöhen die Nationalstaaten ihre Schulden um Milliarden. Auch die Schweiz ist dabei keine Ausnahme. Dies wirkt sich unmittelbar auf unsere Arbeit aus: Der Sozialstaat und damit auch die soziale Arbeit sowie dessen Klientel ist zum Gegenstand von Sparmassnahmen und Privatisierungen geworden. Nicht nur wir Lohnabhängigen der Sozialen Arbeit sondern auch unser Klientel ist auf unmittelbare Art und Weise betroffen.

Als kritische Strömung der Sozialen Arbeit müssen wir uns also zwangsläufig mit der Rolle des Staates auseinandersetzen. Dessen Entscheidungen sind bei näherer Betrachtung nicht in den Bedürfnissen der Bevölkerung begründet, sondern sollen das Funktionieren des Wirtschaftskreislaufes garantieren. Damit dies möglichst reibungslos möglich ist, muss er aber auch gegenüber seinen Staatsbürgern bestimmte Zugeständnisse machen und unter anderem Soziale Arbeit anbieten. Dies beispielsweise um diejenigen, welche aus dem Arbeitsprozess herausgefallen sind oder herauszufallen drohen, wieder in ebendiesen integrieren zu können.

Wenn, wie es aktuell der Fall ist, die kapitalistische Produktionsweise durch eine Krise destabilisiert wird, ist das Anhäufen von Schulden eine mögliche Reaktion für den Staat. Die kapitalistische Produktion, ihre Krisentendenz  und der Staat als politische Ordnungsmacht können nicht isoliert gedacht und kritisiert werden. Die Soziale Arbeit ist aber weitgehend vom Staat und dessen finanziellen Mitteln abhängig. Daraus entstehen Widersprüche, mit denen wir offensiv umgehen und Partei ergreifen müssen.

 

Aktuelle und historische Probleme für eine kritische Praxis sozialer Arbeit

Die Krise bedeutet für uns Sozialarbeitende Lohn-, Kosten- und Arbeitsdruck sowie Privatisierung der öffentlichen Aufgaben. Aktuell sind wir mit Stellenabbau im öffentlichen Sektor und einem seit Jahren andauernden Abbau von Hilfeleistungen gegenüber den massenhaft in die Präkarisierung getriebenen Menschen konfrontiert.

Gekürzte Leistungen, Senkung des Existenzminimums, schärfere Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, Hetze gegen AusländerInnen, Menschen in der IV oder Sozialhilfe, sowie Datenschutzabbau werden für unsere Klientinnen und Klienten spürbar. Es war in der Vergangenheit selten so offensichtlich, dass wir gleichermassen betroffen sind und so auch gemeinsam Perspektiven entwickeln müssen, welche über die Verteidigung von unseren Arbeitsplätzen und die Erstreitung von Sozialleistungen hinausgehen.

Die oben genannten Auswirkungen zeigen Sozialarbeitenden, dass die Soziale Arbeit (und damit auch ihr Klientel) als Profession vom ökonomischen und gesellschaftlichen Bezugsrahmen abhängig ist. Die Leistungen, die die soziale Arbeit seiner Klientel erbringen kann, werden nicht von Sozialarbeitenden bestimmt, sondern von oben genannten Faktoren. Diese Erkenntnis dient als wichtige Voraussetzung für unsere Existenz als Kriso.

 

Widersprüche erkennen und handeln!

Durch diese Voraussetzung ergeben sich Widersprüche zwischen sozialarbeiterischen Vorstellungen über Leistungen sowie Selbstverständnis der Sozialen Arbeit und dem sozialarbeiterischen Alltag und dessen Realität.

Wir wollen diese Widersprüche, welche sich uns eröffnen, offensiv angehen und daraus Schlüsse für unsere Praxis ziehen. Keine „Ökonomisierung“ der Sozialen Arbeit sondern Solidarisierung mit den KlientInnen ist erforderlich. Will die soziale Arbeit handlungsfähig sein und Menschen befähigen, sich aus sozialer Isolation und Präkariat zu befreien, muss sie sich die finanziellen Mittel dafür aktiv selber erkämpfen. Dies sowohl im persönlichen Interesse zur Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes, als auch im existentiellen Interesse der Klientel.

Neoliberale Tendenzen, welche Einfluss auf die Soziale Arbeit nehmen, schaden einer progressiven sozialen Arbeit und dessen Klientel, da sie die Prekarisierten der Gesellschaft verstärkt an den Rand drängen und deren Situation verschärfen. Stattdessen ist es die Soziale Arbeit selber, die einen Bezug zu sozialen Problemen hat und in der Lage ist, diese gegen aussen zu kommunizieren. Insofern fordern wir eine soziale Arbeit, die für eine Gesellschaft ohne Armut und Ausgrenzung kämpft. Die Verwaltung sozialer Probleme darf keine sozialarbeiterische Perspektive sein.

Soziale Arbeit kann nur so progressiv sein, wie der gesellschaftliche Bezugsrahmen. Will sie progressivere Tendenzen annehmen, muss sie diese erkämpfen. Insofern solidarisieren wir uns mit jenen gesellschaftlichen Elementen, die sozialen Fortschritt vorantreiben. Dazu gehören auch sozialberufliche Organisationen, Arbeitskämpfe und soziale Bewegungen.
Kritische Soziale Arbeit hat Wissen um emanzipatorische Theorien zur Bedingung, dieses gilt es zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang ist die Rolle der vermittelten Theorien in den Fachhochschulen relevant. Wir wollen wissen, ob das jene sind, die eine Perspektive für sozialen Fortschritt eröffnen oder letztlich auf die Verwaltung von sozialen Problemen abzielen.

 

Aus der Defensive in die Offensive übergehen!

Soziale Bewegungen aller Art erfahren aus internationaler Perspektive aktuell einen massiven Aufschwung. Als Kriso sehen wir uns mitunter als progressives Element, um sozialen Fortschritt voran zu treiben. Als Sozialarbeitende müssen wir endlich die langen Zeiten der Zurückhaltung hinter uns lassen und in die Offensive übergehen, wenn wir gehört werden wollen.

Aus dieser Perspektive heraus kämpfen wir für die Würde der Klientel und denunzieren jene Gesellschaftsverhältnisse, welche diese Würde verletzen und die Soziale Arbeit zur Repressionsagentur degradieren. Wir sind nicht bereit, die Prekarisierung im Namen der Krisenbewältigung mitzutragen.

 

Endlich handeln! Aber wie?

Wir sind der Ansicht, dass wir als Kriso auf drei verschiedenen Ebenen handeln müssen: Erstens gilt es, Sozialarbeitende für unsere Anliegen zu gewinnen. Wir haben das Ziel, innerhalb des Berufsstandes Bewusstsein über Probleme der heutigen Sozialen Arbeit sowie Organisierungsbereitschaft zu schaffen. Zudem muss die Politisierung der Sozialen Arbeit vorangetrieben werden. Zweitens geht es darum, parteiisch für die Klientel eine ermächtigende statt repressive Haltung zu entwickeln. Dies im Bewusstsein, dass soziale Probleme im Allgemeinen eine sozioökonomische Voraussetzung als Hintergrund haben. Drittens agieren wir gegen aussen, also gegenüber der Gesamtgesellschaft. Ziel dabei ist, soziale Probleme sichtbar zu machen und der repressiven und neoliberalen Sozialpolitik den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Dazu organisieren wir uns in mehreren Arbeitsgruppen, die sich mit Themen wie „Vernetzung und politische Einflussnahme“, New Public Management, kritische Theorie sozialer Arbeit, Rolle der Fachhochschulen sowie kritischer soziokultureller Animation befassen.

Interessiert? Kontaktiere uns!

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1 Kommentar

  1. „… verstehen uns als parteilich für sozial Benachteiligte und setzen uns für eine sozial gerechtere Gesellschaft ein.“

    Das Einzige, wofür Ihr Euch einsetzt, ist Euer eigenes Portemonnaie und Eure eigenen Jobs – mangels marktfähiger Qualifikationen, für die Euch auch ein Nicht-Zwangssteuerzahler bezahlen würde. Deshalb auch die furchtbare Angst vor dem Markt, der ja in allen Bereichen so viel schlechtere Resultate bringt als die gute alte DDR…

    Lieber ehrlich geldgierig, als anderen verlogen auf der Tasche zu sitzen und dabei noch den Moralapostel zu spielen.

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